Sollten Sie diese Seiten nicht problemlos lesen können klicken Sie bitte hier.


Anwesenheit • Erwachen • Bewusstsein • Selbstkenntnis • Evolution
1. Jahrgang, Nr. 4 SEPTEMBER 2004
Anwesend sein
Diese Ausgabe weiterleiten
Eine Veröffentlichung der Fellowship of Friends www.gurdjieff-ouspensky-centers.org


Die vielen Ichs

"Die erste Schwierigkeit ist für jeden das Wort ‚Ich’. Sie sagen ‚Ich’ und denken nicht daran, dass nur ein kleiner Teil von Ihnen spricht.“ Peter Ouspensky

Fast jeder Atemzug wird von einem Gefühl von ‚Ich’ begleitet: Ich denke, ich will, ich weiß besser, ich habe lieber, ich bin glücklich, ich bin hungrig, ich bin müde. Der Vierte Weg lehrt jedoch, dass all diese Gefühle von ‚Ich’ kleine, unabhängige Funktionen der menschlichen Maschine sind. Keines ist ein einheitliches ‚wahres Ich’ des Bewusstseins.

Der Unterschied zwischen Bewusstsein und Funktionen ist auf den ersten Blick nicht offensichtlich, da wir uns so sehr an unsere Empfindung von Selbst in den Ichs gewöhnt haben und da wir uns des Bewusstseins als getrennter, wortloser Zustand der Anwesenheit nicht gewahr sind. Die verschiedenen Ichs ziehen unaufhörlich durch uns hindurch, wohingegen Bewusstsein - wenn es anwesend ist - abseits steht und sie einfach beobachtet. Dazu muss jedoch Selbsterinnern zugegen sein. Ohne Selbsterinnern schläft das Bewusstsein auf seinem Posten ein und wird von jedem Ich überrannt, das auftaucht.

Das System legt dar, dass all unsere Ichs die Funktionen vier unabhängiger niederer Zentren sind: des intellektuellen Zentrums, des emotionalen Zentrums, des Bewegungszentrums und des instinktiven Zentrums. Es folgt eine kurze Beschreibung der Zentren. Man muss jedoch vor allem verstehen, dass alle vier Zentren mit oder ohne Bewusstsein funktionieren können – dass Funktionen nicht Bewusstsein sind.

Das
intellektuelle Zentrum ruft Ichs in Form von Worten, Theorien, Konzepten, logischen Vergleichen und assoziativen Gedanken hervor. Es entschlüsselt jetzt diesen Satz. Das intellektuelle Zentrum ist hauptsächlich eine Lagerhalle in der Informationen gesammelt, sortiert und abgerufen werden. Als solches reagiert es auf die Welt gewöhnlich mit Verallgemeinerungen, Definitionen, Meinungen und Analysen. Wenn dies nicht möglich ist, ficht es oft das vorliegende Thema an.

Im Gegensatz dazu reagiert das emotionale Zentrum auf Menschen, auf visuelle Eindrücke und auf die Intrigen der menschlichen Ereignisse, sowohl der positiven als auch der negativen. Wir erfahren emotionale Ichs in Form von mögen und nicht mögen, als Bewunderung und Anerkennung, als Gefühle von Neid und Eifersucht, als Misstrauen und Bemängelung oder indem wir gütig und mitfühlend handeln. Das emotionale Zentrum ist besonders empfindsam gegenüber Menschen und wird aufgebracht, wenn andere ‚mich’ nicht richtig behandeln. Es ist auch der Sitz unseres persönlichen Gerechtigkeitsgefühls und unserer Zustimmung oder Missbilligung des Verhaltens anderer Menschen.

Einen völlig anderer Wahrnehmungsbereich bietet das Bewegungszentrum. Es erzeugt Ichs durch physische Bewegung, durch die Freude an Bewegung und durch das Visualisieren im dreidimensionalen Raum - z.B. beim Autofahren oder beim Lösen technischer Problemen oder beim Programmieren. Ichs vom Bewegungszentrum sind stolz auf ihre Geschwindigkeit und Effizienz und werden ungeduldig wenn Hindernisse oder Unterbrechungen in den Weg treten. Oft fühlen sich Personen umso lebendiger, je geschäftiger sie sind. Der Vierte Weg besagt jedoch, dass Bewegung hauptsächlich nur eine Reaktion auf Impulse ist und wenig mit bewusstem Handeln zu tun hat.

Das unauffälligste der vier Zentren ist das instinktive Zentrum. Es kontrolliert die fünf Sinne und alle inneren physiologischen Vorgänge wie das Atmen, die Verdauung, Husten, Niesen und Heilung. Das instinktive Zentrum ist auch für die Wahrnehmung von Empfindungen zuständig. Über seine Fühler stellen wir uns auf Temperatur, Klima und Jahreszeiten ein und nehmen wahr, ob andere Menschen krank, bedrohlich oder uns gut gesinnt sind, ob uns jemand beobachtet oder sich von hinten nähert. Solche und andere instinktiven Ichs können sehr scharfsinnig sein und werden wegen ihrer Intuition und Wachsamkeit oft mit Bewusstsein verwechselt. Bewusstsein ist jedoch mehr.

Zusammenfassend kann man sagen, dass instinktive Ichs den Augenblick empfinden, Ichs vom Bewegungszentrum ihn manövrieren, emotionale Ichs ihn bewerten und intellektuelle Ichs ihn erklären. Im Gewebe unserer Einstellungen, Launen und Handlungen überschneiden sich alle vier Zentren. Jedes Zentrum hat jedoch seine eigenen Vorzüge, sein eigenes Gedächtnis, seine eigene Einbildung. Am wichtigsten ist, dass alle vier Zentren – und alle Ichs die von ihnen hervorgerufen werden – mechanische Reaktionen auf den Augenblick sind. Keines ist im Moment anwesend und sich dabei dessen bewusst. Das können sie nicht tun.

Bewusstsein von Funktionen trennen

Die Arbeit in einer Schule des Vierten Weges dreht sich um Methoden, mit deren Hilfe man lernen kann, die Ichs zu beobachten und nach und nach Bewusstsein von Funktionen zu trennen. Dies geschieht hauptsächlich durch geteilte Aufmerksamkeit.

Machen Sie zum Beispiel einen Spaziergang mit dem Ziel, sich auf Anwesenheit zu konzentrieren. Versuchen Sie während des Gehens geteilte Aufmerksamkeit aufrechtzuerhalten und dabei zu sehen was vor Ihren Augen liegt. Wenn Sie genau beobachten, können Sie sehen, wie zufällige Ichs der vier niederen Zentren Ihr Gewahrsein von geteilter Aufmerksamkeit weg in Einbildung zerstreuen.

Bewusstsein kann auch von den Funktionen getrennt werden, indem man Dinge langsamer tut und sich auf geteilte Aufmerksamkeit konzentriert. Zum Beispiel kann man versuchen, nicht von einer Sache zur nächsten zu hasten. Man kann beim Fahren die Geschwindigkeitsbegrenzungen einhalten. Man kann die Wagentür sanft schließen. Man kann den Telephonhörer absichtlich abnehmen oder auflegen. Man kann andere sprechen lassen, ohne zu unterbrechen. Auch durch solche kleinen Anstrengungen können Sie sehen, wie die vielen Ichs Sie immer wieder vom Selbsterinnern ablenken.

Zum Selbsterinnern ist immer eine besondere Anstrengung notwendig. Diese aufrechtzuerhalten bedarf einer außerordentlichen inneren Disziplin. Robert Earl Burton sagte dazu: „Wenn Selbsterinnern verschwindet, nimmt sofort eines der vier niederen Zentren seinen Platz ein, und die niederen Zentren sind am Anwesendsein nicht interessiert."

ANMERKUNG: Weitere Ausführungen zu den vier niedrigen Zentren sind in Die Psychologie der möglichen Evolution des Menschen von Peter Ouspensky zu finden.


Thema der nächsten Ausgabe: Transformieren von Leiden
Peter Ouspensky sagte: „Leiden ist die bestmögliche Hilfe zum Selbsterinnern, wenn man lernt, es zu benutzen. Leiden allein ist keine Hilfe; man kann sein ganzes Leben lang leiden und nicht das geringste Ergebnis erzielen. Wenn man das Leiden aber zu nutzen lernt, wird es hilfreich.’’ In der nächsten Ausgabe werden wir untersuchen, was dies bedeutet und wie man es praktisch anwenden kann.
 

Links von Interesse auf unserer Website
• Videoclips von Robert Burton beim Lehren
Literaturempfehlungen über den Vierten Weg
• Rufen Sie die Website in Ihrer Sprache auf (Flaggen auf der Startseite)


Nehmen Sie an unseren kostenlosen monatlichen Einführungsvorträgen teil

Die Fellowship of Friends, Inc. ist einen Schule für das spirituelle Erwachen. Wir bieten monatlich kostenlose Einführungsvorträge in unseren weltweiten Zentren an. Wenn Sie Interesse haben:

Schicken Sie uns eine E-Mail
• Rufen Sie an (in den USA) 1-800-642-0212


Wenden Sie sich an ein Zentrum der Fellowship in Ihrer Nähe

Sehen Sie eine Liste unserer Zentren weltweit

• Das norddeutsche Zentrum bietet monatlich
  Einführungsvorträge an (Tel.: +49-(0)551-7905308)


Kopf der Hygeia. Marmor, 350-340 v. Chr., Praxiteles zugeschrieben. Nationales Archäologisches Museum, Athen, Griechenland

Weitere Gedanken über die vielen Ichs

Der Mensch hat keine Individualität. Er verfügt kein einziges großes Ich. Der Mensch ist in eine Vielzahl kleiner Ichs unterteilt. Jedes einzelne kleine Ich kann den Namen des Ganzen benutzen, im Namen des Ganzen handeln, zustimmen oder widersprechen, Versprechungen machen oder Entscheidungen treffen, mit denen sich dann ein anderes Ich oder das Ganze auseinandersetzen muss. Darum treffen Menschen so oft Entscheidungen und führen sie so selten aus.
Georg Gurdjieff
Wir verfallen über uns selbst in einen grundlegende Fehler, indem wir uns für eine Einheit halten. Wir sprechen von uns selbst immer als Ich und nehmen dabei an, dass wir uns immer auf ein- und dasselbe beziehen. In Wahrheit bestehen wir jedoch aus Hunderten verschiedener Ichs. Diese Ichs ändern sich ständig; eins unterdrückt das andere, eins ersetzt das andere - und dieser Kampf stellt unser ganzes inneres Leben dar.
Peter Ouspensky
Gewöhnlich gibt es im Menschen weder Dauer noch Bewusstsein. Jede seiner Funktionen spricht in ihm, automatisch und abwechselnd, mit unterschiedlichen Stimmen, im eigenen Interesse, ohne Interesse an den anderen oder dem Ganzen. Und doch benutzt sie die Zunge und den Namen der gleichen Person. So verhält es sich mit den vielen Ichs des Menschen.
Rodney Collin 
Die vielen Ichs führen uns im Kreis. Es ist schwer sich von ihnen zu lösen. Manche Ichs sind harmlos, doch auch sie existieren auf Kosten von Selbsterinnern. Man muss versuchen sie nicht als das Selbst anzusehen denn sie sind nicht das Selbst. Man muss lernen, nicht von der Maschine und den Methoden in die Irre geführt zu werden, mit denen sie die Arbeit untergräbt.
Robert Earl Burton
Wer bin ich, hier in der Mitte dieses Gedankenverkehrs?
Rumi
Zu erkennen, dass man sich von diesen gewohnheitsmäßigen Ichs nicht leiten lassen muss, ist die Morgendämmerung eines neuen Lebens.
Maurice Nicoll
Oft wird der Geist gequält, wenn die große Arbeit des Erinnerns in Vergessenheit gerät.
Hafiz
Bekämpfe alle fremden Gedanken. Halte deinen Geist auf das gerichtet, was du tust - innerlich oder äußerlich.
Gujduvani
Der Weg zur Befreiung liegt darin, den Geist so zu schulen, dass er in der Gegenwart lebt.
Buddha
Die Gegenwart bietet sich uns nur für Sekunden an und entgeht dann den Sinnen.
Plutarch
Du bist nicht das Gespött.
Walt Whitman
Man wird des ständigen Sich-Wiederfindens müde.
Rainier Maria Rilke



Newsletter-Kontakte
Schreiben Sie an editor@beingpresent.org. Wir freuen uns über Ihre E-Mails. Bitte schicken Sie uns Ihre Fragen über den Vierten Weg und die Arbeit in einer Schule des Vierten Weges. Teilen Sie uns mit, welche Themen Sie in diesem Newsletter interessieren würden.

Diese Ausgabe weiterleiten
Bitte leiten Sie den Newsletter an Freunde und Bekannte weiter, die an Informationen über den Vierten Weg und die Fellowship of Friends interessiert sind.

Abonnieren
Wenn dieser Newsletter an Sie weitergeleitet wurde, können Sie ihn auch abonnieren.

Sollten Sie Probleme beim Ausdrucken haben
Wenn der rechte Seitenrand abgeschnitten wird, können Sie dies über die Seiteneinrichtung Ihres E-Mail Programms berichtigen. Sie können diesen Newsletter auch direkt von unserer Website drucken. Gehen Sie einfach zum Archiv. Sollten Sie dennoch Schwierigkeiten haben, setzen Sie sich mit uns in Kontakt.

Wir schätzen Ihr Feedback
Wenn Sie Ihr Feedback über den Newsletter anbieten möchten, füllen Sie bitte das Feedback-Formularaus.

Frühere Ausgaben
Zum Archiv.

Abbestellen
Benutzen Sie den Link ‘sicher abbestellen’ unten im Newsletter.


Fellowship of Friends
(eine gemeinnützige religiöse Gemeinschaft)
P.O. Box 100 · Oregon House, CA 95962
Copyright © 2004 · Alle Rechte vorbehalten

Ohne ausdrückliche schriftliche Genehmigung der Fellowship of Friends dürfen dieser Newsletter oder Teile davon nicht kopiert, nachgedruckt oder in beliebiger Form reproduziert werden.

 

Sollten Sie diese Seiten nicht problemlos lesen können klicken Sie bitte hier.